Die Adventsfeier des BJO-Regionalverbandes Süd in Ellingen

Ein Erlebnisbericht

Als mich am 2. Advent Rainer Claaßen vom BJO-Regionalverband Süd anrief, war ich gerade bei der Arbeit. Wie immer hatte er eine angenehme Mitteilung für mich: “Alexander, wir laden dich sehr herzlich zu unserem Adventstreffen ein und bitten dich, einen Vortrag zu halten.” Gerade zu dieser Zeit waren meine Gedanken sehr weit von meiner ostwestfälischen Arbeitsstelle entfernt, nämlich im ostpreußischen Osterode, wo gerade unser alljährliches BJO-Vorweihnachtstreffen stattfand.

Kulturzentrum Ostpreußen: Führung durch Herrn Dr. Danowski

Kulturzentrum Ostpreußen: Führung durch Herrn Dr. Danowski

Weil ich nur eine Woche Zeit hatte, beeilte ich mich mit dem Referat und bat kurzfristig um ein verlängertes freies Wochenende. (Bestimmt könnt Ihr Euch denken, wie schwer Lohn- und Urlaubsgespräche mit Arbeitgebern sind!) Dank meiner hilfs- und tauschbereiten Kollegen klappte es. Meinen Vortrag hatte ich im Kopf so vorbereitet, daß man, wäre ich nicht gefahren, ihn auch ohne mich hätte halten können. Das Thema lautete: “Leben in Südostpreußen heute und Aktivitäten des RV-Ost”.

Am Samstag in aller Frühe reiste ich ab. Die, wie ich naiv dachte, letzten Änderungen am Referat nahm ich im gemütlich dahinschaukelnden Regionalexpreß vor.

Gegen Mittag traf ich in Marktbreit in der Nähe von Würzburg ein; Rainer Claaßen holte mich am Bahnhof ab. Schmale Gassen, kleine und größere Fachwerkhäuser und überall der herrliche Klang mittelfränkischer Mundart. Zunächst gingen wir zum Essen in eine rustikale Wirtschaft; es gab Entenbraten mit Rotkohl und Kartoffelklößen, dazu gutes fränkisches Bier. Bei der Mahlzeit habe ich mich unter den Gästen, die nach dem Sonntagsgottesdienst beim Frühschoppen zusammensaßen, wie auf dem ostpreußischen Lande vor langer Zeit gefühlt.

Das eigentliche Ziel aber war kein Kneipenbummel, sondern das Marktbreiter Museum “Malerwinkelhaus”, vielmehr die dortige Ausstellung unter dem Motto “Werbung, Wünsche, Wirtschaftswunder – ein Streifzug durch die 1950er Jahre”. Hier konnte man sehen, welch eine große Leistung das damalige Wirtschaftswunder war. Von der Kindernähmaschine bis zum Miele-Waschautomaten, vom NSU-Roller bis zum “Schneewittchensarg”, vom Nierentisch bis zur Märklin-Eisenbahn – alles, was die Atmosphäre der Nachkriegszeit ausmachte, war gezeigt. Dazu noch die traurigen Themen “Jüdisches Leben in Marktbreit” und “Ankunft und Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen aus Ostdeutschland” sowie eine Unterausstellung “Das Frauenzimmer”, bei der wir Männer das Ende der “guten alten Zeiten” bedauern konnten. (Bei den Frauen schien sich das Bedauern in engen Grenzen zu halten.) Es war so interessant, daß wir als Letzte gegen 18 Uhr das Museum verließen. Wir fuhren mit dem Auto weiter nach Crailsheim und kamen auf dem Rathausplatz gerade zurecht zu einer Vorführung des Films “Die Feuerzangenbowle” mit Heinz Rühmann, auf einer Großleinwand an der Crailsheimer Rathausfassade unter freiem Himmel! Damit die Zuschauer warm blieben, wurde neben Glühwein auch das Originalgetränk des Films serviert. Aber vor dem wichtigsten Tage des Ausfluges ins mittelfränkische Land mußte man sich doch richtig ausschlafen. (Außer dem bleiernen Schlaf waren natürlich auch erneute Referatsänderungen im Abendprogramm vorgesehen…)

Rainer knutscht den Elch

Rainer knutscht den Elch

Am nächsten Tag waren wir pünktlich am Deutschordensschloß Ellingen, wo die Veranstaltung stattfinden sollte. Das Mittagessen im “Schloßbräustübl” nutzten wir zum gegenseitigen Kennenlernen. Danach gingen wir in das im Schloß befindliche “Kulturzentrum Ostpreußen”. Den Eintritt für alle übernahm Herr Dr. Jürgen Danowski im Namen der LO-Kreisgruppe Ansbach/Gunzenhausen – herzlichen Dank unseren Landsleuten! Eine kurze Einführung von Dr. Danowski und Rainer – und los! In einem so großen und gut bestückten Landesmuseum unserer Heimat bin ich noch nicht gewesen. U.a haben wir einen ausgestopften Elch, Informationen über ehemalige Schalke 04-Fußballspieler und ein Modell der Funkstation in Heilsberg aus den 20ern gesehen – die nächste Station hat man erst 30 Jahre später in Allenstein gebaut! Ich habe festgestellt, daß ich dort eine ganze Woche verbringen könnte und es wäre noch nicht zuviel. Dazu hat uns Herr Dr. Danowski alles erklärt und die nötigen Erläuterungen gegeben. Später hielt ich im Vortragsraum des Kulturzentrums mein Referat, das (verzeiht mir bitte, daß ich mich selbst lobe) ganz gut aufgenommen wurde. Es tat mir nur leid, daß ich es vor, für mich, fast völlig fremder Zuhörerschaft gehalten habe, sonst hätte ich noch viel mehr sagen können. Ein kurzes Panelgespräch mit Rainer Claaßen und mir, noch ein Beifall und der unerbittliche Abschied war schon da…

Die Nacht vom 10. zum 11. Dezember hat nur vier Stunden gedauert; wenn sich zwei BJO-Vorstandsmitglieder treffen, so müssen sie sich selbstverständlich über Gegenwart und Zukunft Ostpreußens austauschen. Auch wenn der Regionalvertreter Süd ab 4 Uhr morgens im Fahrdienstleiterstellwerk in Hessental (zum Glück mit einer funktionierenden Kaffeemaschine!) Dienst hat. Wer rastet, der rostet, wie der Volksmund spricht. Während ich nun, fast vier Stunden später, diesen Erlebnisbericht schreibe, warten der hellblau-rote Himmel und die mit Nebel und Reif bedeckten Täler der Umgebung von Ansbach auf den Sonnenaufgang. Leider hat der Zug keine Zeit, dieses wunderschöne Bild zu bewundern; er eilt vorwärts und bringt mich dahin, wo keiner mein Allenstein kennt…

Alexander Bauknecht

Modell der Sendeanlage Heilsberg des Reichssenders Königsberg

Modell der Sendeanlage Heilsberg des Reichssenders Königsberg

Alexander und Wolfgang

Alexander und Wolfgang

Abstimmungsstein des Kreises Oletzko von 1920

Abstimmungsstein des Kreises Oletzko von 1920

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